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Was bedeutet die 70 %-Grenze bei der Restwertermittlung im Fall eines Haftpflichtschadens?

Im Falle eines Haftpflichtschadens an einem Fahrzeug stellt sich oft die Frage, wie die Reparaturkosten abzurechnen sind, insbesondere wenn der Geschädigte von der Möglichkeit der fiktiven Abrechnung Gebrauch macht. Hier kommt die sogenannte 70 %-Grenze ins Spiel.

Fiktive Abrechnung vs. Abrechnung auf Basis von Wiederbeschaffungswert und Restwert

Bei der fiktiven Abrechnung hat der Geschädigte grundsätzlich das Recht, die erforderlichen Reparaturkosten zu verlangen, anstatt das Fahrzeug tatsächlich reparieren zu lassen. Allerdings hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz insofern eingeschränkt, als dass die Reparaturkosten bei einer fiktiven Abrechnung nur dann ohne Berücksichtigung des Restwerts erstattet werden, wenn sie 70 % des Wiederbeschaffungswerts nicht übersteigen.

Die Rolle des Kfz-Sachverständigen

Für den Kfz-Sachverständigen bedeutet dies, dass er bei der Erstellung des Schadengutachtens den Restwert des Fahrzeugs angeben muss, wenn die Reparaturkosten 70 % des Wiederbeschaffungswerts übersteigen.

Die Problematik in der Praxis

Obwohl diese Regelung durch die Rechtsprechung gefestigt ist, versuchen Versicherungen in der Praxis oft, den Geschädigten bereits bei Reparaturkosten von 50 % des Wiederbeschaffungswerts in die Totalschadenabrechnung zu drängen. Da in diesen Fällen oft keine Restwertangaben im Gutachten vorhanden sind, wird von der Versicherung ein sehr hoher Restwert angesetzt, was die Schadensersatzansprüche des Geschädigten erheblich reduzieren kann.

Die Rechte des Geschädigten

Es ist wichtig zu betonen, dass der Geschädigte auch bei fiktiver Abrechnung Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten hat, solange diese 70 % des Wiederbeschaffungswerts nicht erreichen. In diesen Fällen spricht man von sogenannten „eindeutigen Reparaturfällen“. Nur wenn die Reparaturkosten diese Grenze überschreiten, ist eine Angabe zum Restwert im Gutachten erforderlich.

Was passiert bei Überschreiten der 70 %-Grenze im Haftpflichtschadenfall?

Wenn die Reparaturkosten in Ihrem Schadenfall über 70 % des Fahrzeugwerts liegen, kann dies Auswirkungen auf die Schadensregulierung haben, insbesondere bei einer fiktiven Abrechnung.

In der Regel wird die gegnerische Versicherung in einem solchen Fall die Regulierung zunächst auf Basis des Wiederbeschaffungsaufwands durchführen. Das bedeutet, die Versicherung übernimmt die Kosten für den Wert des Fahrzeugs vor dem Unfall (Wiederbeschaffungswert) abzüglich des Restwerts des beschädigten Fahrzeugs.

Beispiel zur Verdeutlichung

Nehmen wir an:

In diesem Fall würde die Versicherung zunächst den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts zahlen, also 5.500 € (8.000 € – 2.500 €).

Da die Reparaturkosten in diesem Beispiel über 70 % des Fahrzeugwerts liegen (6.000 € sind mehr als 70 % von 8.000 €), musste ein Restwert ermittelt werden. Somit haben Sie von der Versicherung zunächst nur 5.500 € von den Ihnen zustehenden 6.000 € erhalten. Es fehlen Ihnen 500 € der festgestellten Schadenssumme.

Anspruch auf den Restbetrag

Sie müssen jedoch nicht auf diesen Restbetrag verzichten! Unter bestimmten Bedingungen haben Sie auch in solchen Fällen Anspruch auf die Erstattung der gesamten Reparaturkosten.

Laut gängiger Rechtsprechung müssen Sie in einem solchen Fall lediglich den Willen zur Weiternutzung des Fahrzeugs nachweisen. Diesen Willen können Sie in der Regel dadurch belegen, dass Sie Ihr Auto in einen verkehrssicheren und fahrbereiten Zustand versetzen und es anschließend für einen bestimmten Zeitraum, in der Regel sechs Monate, weiter nutzen.

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